Wie “live nähen”? Näht man nicht immer live? Hier rede ich davon, vor laufender Kamera live zu nähen. Bei Anna von “einfach nähen” nennt sich das Livesewalong, ein Livestream bei YouTube. Anna lädt einmal pro Monat einen Gast ein, der in ihrer Live-Sendung näht. Am vergangenen Wochenende war ich der nähende Gast. Und wenn du dir jetzt einen wackeligen Livestream via Handy vorstellst liegst du ziemlich falsch. Was bei Anna technisch abgeht spielt in einer ganz anderen Liga. Stell dir 237 Kabel vor, merkwürdig nerdige technische Gerätschaften, sowie 5 Kameras (diverse Smartphones werden dabei nicht mitgerechnet). Mit 4 verschiedenen fest installierten Kameras und professionellen Einstellungen ist der Stream für die Zuschauer sehr abwechslungsreich und lädt ein mit zu nähen.
Im Vorfeld konnten Annas Follower den Schnitt für das Knotenshirt “Mahé” im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen um ihn schon vor dem Livestream zuschneiden zu können. Durch die Live-Chat Funktion ist das ein interaktives Näherlebnis. Wir konnten direkt auf die Chatfragen im Livestream antworten. Die anstößigen Kommentare unqualifizierter Zuschauer wurden glücklicherweise gleich von YouTube ausgefiltert. Danke YouTube! Aber ich greife sowohl mit dieser Einleitung als auch den Fotos der weiteren Erzählung vor. Chronologische Abfolgen werden völlig überbewertet. Was Instagram kann, das kann ich auch.
Auf dem Weg nach Münster
Kennst du dieses Gefühl zwischen zwei “Welten” zu sein? Weg zu sein, aber noch nicht da zu sein? Ich mag dieses Reisegefühl, wenn ich zum Beispiel länger im Zug sitze, so wie letzten Samstag auf dem Weg zu Anna. Dieses Feeling habe ich aber nur so richtig, wenn ich ohne meine Familie unterwegs bin, denn dann kann ich in Ruhe meine Gedanken fließen lassen, lesen, Podcasts hören, Notizen machen,…
Ich war schon sehr gespannt auf den Dreh, so dass ich einerseits voller Vorfreude, andererseits auch angespannt war. Die Gedanken daran, was wohl alles schief gehen könnte habe ich versucht von mir zu schieben. Immerhin hatte ich nur einen Zuschnitt von meinem Schnittmuster “Mahé” dabei. Volles Risiko, Frau Puls! Naja, was sollte schon schief gehen beim Nähen? Muahahaha. Als könnte beim Nähen etwas schief gehen…
Am Samstagnachmittag kam ich in Rinkerode bei Münster an und Anna wartete schon am Bahnsteig auf mich. Wie schön! Wir hatten einen entspannten Grillabend bei ihr und ihrem Mann Jonas im Garten, wo wir uns ausgiebig übers Nähen und unser Business ausgetauscht haben. Herrlich, wenn man mit Gleichgesinnten quatschen kann.
Live nähen
Erstaunlicherweise war ich am Sonntag die Ruhe in Person. Außer dass ich Anna vier mal gefragt habe, was ich eigentlich zum Einstieg sagen soll (ihre Antwort: “Hallo”) ging es wirklich. Das Shirt hatte ich schon oft genug genäht und live zu gehen bin ich ja nun auch schon halbwegs gewohnt. Ehrlich gesagt habe ich es nach 5 Minuten auch schon gar nicht mehr so richtig wahrgenommen, dass wir live waren. Ich habe mich aufs Nähen und die Fragen aus dem Chat konzentriert, so dass kein Platz mehr für Lampenfieber war. Ich bin einfach nicht multitaskingfähig.
Wie gut auch, dass ich nicht wusste, wie viele Zuschauer wir hatten…
Darüber haben wir uns unterhalten
Neben nähtechnischen Fragen zum Shirt “Mahé“ hatten wir noch verschiedene Themen, die sich teils spontan ergeben haben wie zum Beispiel die Frage danach ob man Stoffe vorwaschen soll oder nicht. Klar soll man…
Wir haben uns auch über die Verarbeitung von Kaufkleidung und über die Stichauswahl für Jersey unterhalten. An so einer Pfaff wie Anna sie hat, habe ich vorher noch nie genäht und auch schon länger nicht mehr Jersey mit der Nähmaschine genäht, von daher musste ich sie immer wieder um Rat fragen.
Meine Nähcamp-Tour war natürlich Thema, denn Anna wird im Nähcamp Dortmund vom 8.-10.6. als Nähcoach mit dabei sein. Wie hat sie das so schön formuliert? Sie ist da um “Händchen zu halten” und “Tränchen zu trocknen”. Nähen ist schon ein emotionales Hobby. Sowohl der Weg zum Ergebnis als auch die Anprobe des fertigen Stückes können große Wut, Enttäuschung oder aber Freude und Begeisterung auslösen. Als Nähcoach wird Anna allen Teilnehmerinnen im großen Nähraum mit Rat und Tat rund ums Nähen zur Seite stehen. Dass soll die Teilnehmerinnen ermutigen, sich an etwas zu wagen, das sie alleine zu Hause vielleicht nicht nähen würden. Wir werden Workshops zu folgenden Themen anbieten: Schnittanpassung für Einsteiger mit Meike von crafteln, Farb- und Stilberatung mit Juliane Gareis sowie Spitzenslips nähen mit Sabine Hukriede und Barbara Majewski. Wenn du gerne dabei sein möchtest, dann findest du hier noch Tickets.
Mein Mann hatte mir einen Glücksbringer für den Livestream eingepackt, nämlich mein Namensschild vom allerersten Nähcamp, das ich 2014 in Berlin organisiert hatte. Ich musste ihm versprechen, dass ich es den Zuschauerinnen zeige, was ich dann natürlich auch gemacht habe.
Ich hatte die “Mahé” Schnittteile noch in klein mitgebracht um zu zeigen, an welchen Stellen man ein Shirtschnittmuster richtig verlängert. Wir haben über Podcasts gesprochen und darüber, auf welchen Wegen man diese hören kann. (Die beliebteste Android Podcast App, die meine Zuhörer benutzen ist Podcast Addict. Am iPhone ist die lila Podcast App gleich vorinstalliert und außerdem kann man meine Podcast Episoden auch hier im Blog anhören.)
Dann habe ich noch einen Tipp gegeben, wie man gleichmäßig säumen kann ohne Handmaß. Und das alles während uns der Schweiß in Strömen den Rücken hinunter lief, denn wir saßen bei Sonne direkt unterm Dach. Aber das hielt uns nicht davon ab, über die Baby Lock Cover Stitch zu sprechen und viele andere Details rund ums Nähen. Wie gut, dass ich nach dem Dreh mein durchgeschwitztes Mahé gegen das frisch genähte eintauschen konnte!
Hier kannst du dir das Video anschauen und das Shirt “Mahé” mitnähen oder einfach zuhören wie bei einem Podcast. Über einen Daumen hoch freuen wir uns natürlich!
Rückweg
Die Zeit verging wie im Flug. Als die Kamera aus war, ist dann doch eine gewisse Anspannung von uns abgefallen und wir durften endlich Pipi machen! Und danach haben uns ein wohlverdientes Eis gegönnt. Herrlich, das kühle Eis zu genießen, uns eine leichte Brise um die Nase wehen zu lassen und dabei unseren Einsatz vor der Kamera auszuwerten. An dieser Stelle geht auch ein herzliches Dankeschön an Jonas, den Kamera- und Tonprofi.
(Falls du das Gefühl hast, diese Collage heute schon mal gesehen zu haben, so ist das mit dem Algorithmus.)
Wieder im Zug habe ich noch mal alles Revue passieren lassen und musste an einen Satz denken, den mein Vater oft zu mir gesagt hat: “Du musst echt mal die Zähne auseinander bekommen”. Es hat zwar etwas länger gedauert als vielleicht bei anderen, aber mittlerweile klappt das. Aber wie es mein Naturell so will, freue ich mich auch sehr darüber wieder alleine in meinem Arbeitszimmer zu sitzen und diesen Blogpost zu schreiben.
Liebe Anna, vielen Dank für dieses Abenteuer und deine Gastfreundschaft!
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