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Ich war nie besonders rebellisch. Auch nicht in meiner Jugend. Ich habe mich meist unauffällig verhalten, war immer das “good girl”. Wenn ich bei Rot nicht über die Ampel gehen soll, dann bleibe ich stehen. Wenn man 50 fahren soll, dann fahre ich 50. Und wenn ich weiß, dass man leise sein soll, dann bin ich leise. Konfrontationen sind nicht mein Ding. Und ich habe oft den Sinn von Regeln eingesehen.
So habe ich das zuhause auch gelernt. Es wurde viel Wert auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gelegt. Regeln sind da, um eingehalten zu werden.
Und doch, wenn man genauer in die Vergangenheit meiner Eltern sieht, sind sie ungewöhnliche Wege gegangen. Mein Vater ist in einem klitzekleinen Eifeldorf als Sohn eines Hufschmieds groß geworden. Hat dann mit 14 eine Ausbildung zum KFZ Mechaniker gemacht und später noch den Meister. Um 1970 herum hat er dann eine Stellenanzeige in der Zeitung gelesen, in der nach Mitarbeitern im Straßenbau in Afrika gesucht wurde. Er wusste sofort, dass er das machen wollte. Gegen den erheblichen Widerstand seiner Eltern, vor allem seiner Mutter, also meiner Oma. Sie hat sich glaube ich sehr aufgeregt darüber, dass ihr Sohn zu den … N-Wort gehen wollte. Damit kam sie überhaupt nicht klar.
Kurz bevor er aufgebrochen ist, lernte er meine Mutter auf einer Kreuzfahrt kennen. Sie hat ihn dann kurzentschlossen schon bei seinem ersten Afrika-Job begleitet. Und sie waren auch in ziemlich aufregenden und korrupten Ländern wie Nigeria und Liberia unterwegs, später dann auch in Algerien und Botswana. Das wären ja selbst für heutige Auslandsjobs auch noch recht exotische Länder.
Als ich in Botswana in der 2. Klasse war und mein Bruder kurz davor stand, eingeschult zu werden, entschlossen sich meine Eltern, wieder nach Deutschland zurückzukehren, damit wir Kinder in deutsche Schulen gehen konnten, ohne ein Internat besuchen zu müssen. Mein Vater hätte in den Jahren danach noch mal nach Saudi Arabien gehen können, hat das aber aus familiären Gründen abgelehnt. Darauf hätte meine Mutter auch keine große Lust gehabt.
Zurück in Deutschland, sind wir schon etwas aufgefallen, das habe ich glaube ich schon mal erzählt. Ich bin mitten im Schuljahr der ersten Klasse in die Grundschule gekommen und wurde immer wieder gefragt, wie es denn in Australien oder Amerika war. Verständlich, dass die Neugier da war, aber ich fühlte mich damit in einem Mittelpunkt, den ich gar nicht wollte.
Abenteuer schienen erstmal passé. Aber auch hier musste man bei meinen Eltern wieder genauer hinsehen. Mein Vater war der erste im Dorf (wieder Eifel, Nachbardorf wo er groß geworden ist), der eine Solaranlage aufs Dach packte. Damals wurde er noch belächelt. Und wir waren auch mit die ersten aus dem Bekanntenkreis und im Dorf, die einen Computer hatten. Aber Fernsehen durften wir nicht. Aber alles, was mit Bildung und Reisen zu tun hatte, durften wir viel früher als andere Kinder. Ich weiß noch, dass meine beste Freundin und ich mit 10 oder so alleine zelten wollten. Meine Eltern: Ja, macht doch. Die Eltern meiner Freundin: Um Gottes Willen! Meine Eltern konnten sie überzeugen. Wir zelteten auf einem verwilderten unbebauten Grundstück, das uns gehörte. Ein kontrolliertes Abenteuer also. Fanden wir mega aufregend damals.
Mit 12 wollten wir dann alleine mit der Bahn zu meinen Großeltern nach Belgien fahren. Gleiches Spiel. Meine Eltern: Macht doch. Die anderen Eltern: Um Gottes Willen!
So ein gewisses Reisefieber hatte ich wohl von meinem Vater geerbt. Nach dem Abitur bin ich auch gleich ins Ausland, aber es war immer ein kontrolliertes Abenteuer. Nix Wildnis, sondern Hotelmanagement Schule. Dennoch war ich, soweit ich mich erinnern kann, damals aus meiner Klasse die einzige, die gleich nach dem Abi ins Ausland ging und nicht in Köln oder Bonn studierte oder eine Ausbildung in der Heimat machte.
Warum erzähle ich dir also nun diese ganze Story? Man könnte sagen, dass ich immer brav war. Ich habe mich an Regeln gehalten, keine Drogen genommen, nie Alkohol exzessiv konsumiert, ich war immer Herr(in) meiner Sinne. Und vermutlich hätte mich niemand mit dem Begriff Rebellin in Verbindung gebracht. Weder äußerlich noch innerlich.
Und nun bin ich auf einmal eine in manchen Ecken der Nähszene nicht so gerne gesehene Person. Nicht jedes Stoffgeschäft findet es lustig, wenn Frauen sich für ein Farb-Fitting entscheiden und danach Stoffe kaufen. Diese Kundinnen werden kritischer und tätigen weniger Impulskäufe. Wir sind aber auch schon von Stoffgeschäften angesprochen worden, die das toll finden, dass ihre Kundschaft so genau weiß, was sie will, weil sie dann auch konkrete Anhaltspunkte haben, welche Stoffe sie im Sortiment haben sollten.
Es kommen immer mehr Frauen mit dem FF Fächer in einen Laden wählen damit ihre Stoffe aus. Das hat die ein oder andere Inhaberin neugierig gemacht und sich dafür entschieden, selbst ein FF zu machen und sogar Affiliate Partner zu werden. Das heißt, sie werben für die Farb-Fitterie und bekommen bei einem Kauf eine Provision. Dafür können sich auch Blogger und andere Gewerbetreibende anmelden.
Jedenfalls: Wenn (meist) Frauen ein Farb-Fitting machen, im Näh deinen Stil Club sind oder einen der Aufbaukurse wie Lebe deinen Stil machen, werden sie kompromissloser und wählerischer. Sie schätzen auf einmal mehr das, was sie bereits haben und wissen viel besser, was sie getrost liegen lassen können im Stoffgeschäft. Für Stoffgeschäfte, die natürlich davon leben, Stoffe zu verkaufen, ist dieses neue Verkaufsverhalten nicht so angenehm. Denn aus wirtschaftlicher Sicht ist es natürlich spannend, dass Stoffe in Mengen und auch einfach nur fürs Regal gekauft werden. Zum “Streicheln”, nicht zum Vernähen und Tragen.
Ich bin nicht gestartet mit, “so, ich mische jetzt mal die Stoffgeschäfte” auf, sondern aus einer inneren Überzeugung heraus, dass der Massenkonsum nicht der Weg sein kann und dass uns das nicht glücklich macht. Auch heute ist es noch mein Anliegen, lieber gemeinsam mit anderen Anbietern in der Nähszene und darüber hinaus, gemeinsam mit unserer Community zu lernen und damit zu experimentieren, wie wir nachhaltiger nähen und leben können.
Es ist ja nicht mehr zu übersehen, dass wir uns im Konsum reduzieren müssen, um die Erde nicht bald gegen die Wand zu fahren.
Ich erzähle dir das wegen eines kleinen Vorfalls, den ich neulich erlebt habe. Vor kurzem habe ich mehrere größere Stoffhersteller und -händler angeschrieben mit der Bitte, mir Stoffproben zu senden. Wir wollten diese dann mit unseren Farb-Fitterie Karten abgleichen, um dann zu den Stoffen zu verlinken, die am besten zu den Farbkarten passen. Wir wurden schon häufig von unseren Kundinnen danach gefragt, weil man ja oft vom Produktfoto nicht so recht ableiten kann, ob die Farbe am Bildschirm nachher auch wirklich so aussieht, wie in echt. Mein Gedanke war: “Oh supergute Idee. Das reduziert Retouren und Fehlkäufe.”. Kommt bei den von mir angeschriebenen Firmen nicht an. Die meisten antworten nicht. Und von einem großen bekannten Onlineshop bekam ich
Danke aber “nein Danke” 🙂
Als Antwort. Ohne Anrede. Einfach nur das. Ich dachte erst: “Was ist das denn für eine Antwort?”. Ich hatte aus meiner Sicht eine professionelle Anfrage geschrieben. Und wie du dir denken kannst, gibt es bei mir auch eine Ansprache a la “Sehr geehrte” oder “Hallo” und einen Text mit ganzen Sätzen. Mein Mann meinte, dass da vielleicht auch einfach nur eine frische Praktikantin geantwortet hat, die sich nicht näher damit befasst hat.
Ich habe mich gefragt, warum mich das getriggert hat und ich es nicht gleich löschen und weitermachen konnte. Ich glaube es liegt daran, dass ich nach wie vor das good girl sein will und lieber erwünscht als unerwünscht sein möchte.
Aber wie es scheint, ist meine Näh deinen Stil Idee eine kleine Rebellion gegen den Massenkonsum, von dem die meisten Unternehmen leben. Und zum Glück bin ich damit nicht alleine, sonst wäre ich jetzt nicht bei Folge 140 dieses Podcasts angelangt und wir hätten nicht bereits tausende Kundinnen mit unseren Produkten inspirieren können, nachhaltiger Kleidung zu nähen und zu shoppen.
Schön zu hören ist auch, dass die neu gewonnene Klarheit durch unsere Unterstützung, auch auf andere Lebensbereiche überschwappt und sie sich geerdeter und mehr bei sich fühlen, so dass sich das Bedürfnis nach immer mehr Konsum von innen heraus beruhigt.
Diese Episode hatte ich schon vor ein paar Wochen geschrieben und sie dann vor mir her geschoben, weil ich irgendwie Sorge hatte, dass ich mich damit zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich über dieses Good Girl Thema spreche. Und ich hatte das Gefühl, dass es dabei nur um mich geht und nicht um dich. Mein Ziel ist es doch immer, einen Wert zu bieten.
Aber wenn ich eins gelernt habe, dann ist es, dass ich nie alleine mit meinen Gedanken bin. Wenn ich dieses Good-Girl-Syndrom habe, dann bin ich damit nicht alleine. Und wenn du Lust auf ein klitzekleines bisschen Rebellion hast, dann stelle doch mal infrage, was du in deinem Stoffladen an Stoffen siehst. Findest du das, was du suchst? Das was du gerne vernähen und tragen möchtest? Sind dir die Materialien nachhaltig genug? Wenn nicht, dann frage mal nach, ob der Laden das Sortiment in Zukunft mit den von dir gesuchten Farben und Materialien ergänzen möchte.
Ich bin schon oft unzufrieden aus einem Laden rausgegangen, weil ich dort nichts für mich gefunden habe ohne zu äußern, was ich eigentlich suche. Das ist so ein bisschen wie in einem Restaurant ein Gericht zu essen, das dir nur mäßig geschmeckt hat und wenn das Servicepersonal dann fragt, ob es geschmeckt hat, sagt man brav ja. Weil, man will ja jetzt keine Welle machen. Beim nächsten Mal geht man halt woanders hin. Good Girl.
Und der Grund, warum ich oft in einem Laden nicht konkret nachfragen konnte, war, dass ich keine konkrete Vorstellungen davon hatte, was ich eigentlich will. Das hat sich mittlerweile geändert. Ich gehe immer öfter in einen Laden rein, ohne selbst lange zu gucken, sondern frage direkt, was ich haben will. Und wenn es das nicht gibt, gucke ich noch einmal kurz und gehe dann meist wieder.
Im Stoffladen gucke ich auch gezielt. Und frage nach. Und spare mir damit viel Zeit. Natürlich kann es auch viel Spaß machen, sich durch die Stoffe und Zutaten zu fühlen und zu gucken.
Ich sage bloß, wie es oft für mich ist und was ich aus dem Fragebogen für unser Farb-Fitting lese ich. Viele Frauen wollen sich nicht mehr stundenlang in Geschäften aufhalten, sondern gezielter, schneller und erfolgreicher shoppen nach dem Motto “weniger ist mehr”.
Durch ein Farb-Fitting weißt du natürlich viel genauer, wonach du suchst und kannst es auch artikulieren. Wenn du deine besten Farben kennst, egal, ob mit oder ohne Farb-Fitting, dann artikuliere das so oft es geht in den Geschäften. Meine Erfahrung ist, dass oft die kleineren Geschäfte genauer hinhören und aufgrund einer persönlichen Verbindung zu ihrer Kundschaft auch deren Wünsche gut kennen und darauf eingehen möchten. Eine Win-Win-Situation!
Je mehr Menschen in Geschäften sagen, was sie wollen und es auch zeigen durch die Produkte, die sie kaufen und nicht kaufen, desto mehr wird sich das Angebot auch anpassen. Und vergiss nicht, dass du auch Stoffe tauschen oder second hand kaufen kannst wie z. B. auf Kleinanzeigen. Auch das schont Ressourcen.
Rebelliere durch dein Kaufverhalten. Dort wo dein Geld hinwandert, bewegst du etwas. Das kann zum Schlechten oder Guten sein.
Am 28. Dezember startet die Farbimpuls Challenge. Diese Challenge findet zwischen den Jahren statt und war auch schon 2021 ein großer Erfolg. Gewinne einen Überblick über deinen Kleiderschrank, indem du die Farben in deiner Garderobe zählst und mit unserem Tool auswertest. Die Challenge geht über 3 Tage inkl. Live-Webinar mit mir.
Melde dich direkt an unter www.farbfitterie.de/farbimpuls und schau zwischen den Jahren genauer hin, welche Farben du wirklich trägst und wie gut du sie kombinieren kannst.
Damit auch du beim Shoppen zukünftig genauer sagen kannst, was du willst.
Wir freuen uns schon auf alle, die mitmachen!
Bis bald. Wir hören uns bald wieder.
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