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Ich glaube, wir müssen reden. Über unsere Körper. Über uns also, auch wenn wir uns vielleicht nicht persönlich kennen. Ich habe nämlich gerade gelesen, dass 91% aller deutschen Frauen unzufrieden mit ihrem Körper sind (leider ist mir die Quelle durch die Lappen gegangen). Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das auch auf uns beide zutrifft (falls du eine Frau bist).
In der letzten Podcastepisode habe ich einen Blick in die Zukunft der Stoffe und Mode gewagt. Heute möchte ich aus einer ganz anderen Perspektive nach vorne schauen. Denn was ich aus vielen Beiträgen herauslese und aus meiner Jugend kenne, ist, dass sich auch, oder gerade, viele junge Mädchen und Frauen selbst fertig machen, wegen vermeintlicher Mängel ihres Körpers.
Ich habe 2 Söhne und eine Tochter. Ich möchte, dass meine Kinder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Körpergefühl in und durch die Pubertät und durch den Rest ihres Lebens gehen. Das ist heutzutage eine Herausforderung.
Ich muss gestehen, dass ich mir noch nie so viele Gedanken um eine Podcastepisode gemacht habe, wie dieses Mal. Von: “Wie sage ich das jetzt möglichst neutral, damit ich niemanden verletze” bis “Wer bin ich eigentlich, überhaupt darüber zu sprechen?”, ist mir vieles durch den Kopf gegangen.
Warum ich erst gezögert habe, in dieser Episode über mich selbst zu sprechen? Weil ich von außen betrachtet vermutlich zu einer privilegierten Minderheit gehöre. Ich bringe äußere Merkmale mit, die in unserer Gesellschaft grundsätzlich erst mal als positiv betrachtet werden: Ich bin weiß, schlank, blond (zumindest früher mal Naturblond), groß.
Was für einen Grund hätte ich bitteschön, mich zu Beschweren?
Ich weiß natürlich nicht, wie es sich anfühlt, ganz anders auszusehen. Und ich habe selbst nie die Diskriminierung erlebt, der man mit anderer Hautfarbe und/oder Körperform, Behinderung, Aussehen ausgesetzt sein kann.
Aber offensichtlich fokussieren sich Menschen oft auf das, was aus dem Rahmen fällt. Was bei mir aufgrund meiner Körpergröße und Schlankheit auch der Fall war. Was mir wildfremde Männer auf der Straße gesagt haben, darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Warum können sie nicht einfach die Klappe halten und sich selbst im Spiegel anschauen?
Manchmal sind Bemerkungen von Frauen noch schlimmer. Und mir fehlte dann leider immer die Schlagfertigkeit, um gekonnt darauf zu antworten. Die guten Antworten fallen mir immer erst dann ein, wenn die Situation vorbei ist.
Egal wie man aussieht, es wird immer Menschen geben, die gedankenlos, unhöflich oder schlichtweg fies sind. Ich habe auch nicht die Illusion, dass wir das ausmerzen können. Aber wir können unsere Gesellschaft dafür sensibilisieren und versuchen ein gutes Beispiel zu sein.
Ich glaube sehr wichtig ist es auch, dass wir eine bessere Beziehung zu unserem Körper haben, damit uns solche Sprüche nicht sofort aus dem Gleichgewicht bringen. Das ist eine große Aufgabe, denn die meisten Minderwertigkeitsgefühle kommen schon aus unserer Kindheit und Jugend und sind ziemlich eingebrannt. Die kann man nicht einfach wegwischen. Ich bin auch keine Psychologin, die hier Fachwissen anbringen kann. Aber drüber reden hilft ja meist schon, Gedanken klarer zu sehen und vielleicht im Gespräch andere Perspektiven zu entdecken.
Wie gesagt, die ein oder andere Geschichte könnte ich auch erzählen, aber ich habe mich nie grundsätzlich diskriminiert gefühlt. Deswegen habe ich auch so lange mit dieser Episode gehadert. Wer bin ich, darüber zu reden?
Was war der Auslöser für diese Episode?
Schon vor einigen Wochen kam der Wunsch nach diesem Thema für eine Podcastepisode von einem Clubmitglied aus dem Näh deinen Stil Club. Sie schrieb dazu:
“Hier im Club kommt ja ganz viel an verzerrter Wahrnehmung des eigenen Körpers zutage, und ich finde, das hält uns als Frauen so klein. Ich muss beruflich öfter mal Portraitfotos machen, und vor allem Frauen empfinden das als sehr unangenehm, da ist eine große Unsicherheit. Und ich habe das im Club als große Befreiung erlebt, wenn man plötzlich einen realistischeren und auch liebevolleren Blick auf den eigenen Körper bekommt. Das setzt viel Selbstbewusstsein frei.”
Ich hatte das Thema also schon eine Weile auf meiner Ideenliste. Eine Mail einer Newsletter-Leserin hat mich dann motiviert, endlich mal in die Umsetzung zu gehen. In dieser Mail kritisierte sie mich für meine Wortwahl in meinem Schnittmuster-Shop.
Kurz zum Hintergrund: Vor einigen Jahren hatte ich begonnen, Schnittmuster für große Frauen zu veröffentlichen. Darauf bin ich gekommen, weil ich selbst immer Schnittmuster verlängern muss. Ich empfand Schnittmuster für große Frauen als Marktlücke und wollte meine Idee unbedingt ausprobieren. Diesen Größensatz nannte ich “Langgrößen”, weil ich das so in der Konfektion auch kenne. Und damit eine klare Abgrenzung bei den bisherigen Größen stattfindet, habe ich den anderen Größensatz einfach “Normalgrößen” genannt. Diese Größen gehen von 34-48.
Der Punkt in der E-Mail war, dass ich der Verfasserin damit, dass ich diesen Größensatz von 34-48 als “Normalgrößen” bezeichne, das Gefühl vermittelt habe, nicht normal zu sein. Ihre Größe liegt offensichtlich außerhalb dieser Größen.
Ganz ehrlich. Darüber habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Ich habe diese Größen-Range als mein Angebot festgelegt, weil ich nach einem Gespräch mit meiner Schnittdirektrice gelernt hatte, dass alle Größen, die über die 48 hinausgehen, wieder eine eigene Schnittkonstruktion und Gradierung benötigen. Man kann einen Schnitt, der für eine Größe 38 angelegt wird, nicht einfach beliebig nach oben gradieren. Irgendwann stimmen die Proportionen nicht mehr. Gerade bei meinen ersten Schnitten habe ich mich aus Kostengründen auf eine Gradierung beschränkt und sie so gewählt, dass meine Größe mit dabei ist, weil ich meine Schnitte natürlich auch selber nähen wollte.
Bei den Langgrößen habe ich schnell gemerkt, dass sie zwar bei der Zielgruppe, großen Frauen, gut ankamen, aber wirtschaftlich nicht für sich alleine stehen konnten.
Also konzentrierte ich mich wieder mehr auf die tja, wie soll ich sie nennen, nicht Langgrößen? Die “anderen Größen” oder sie einfach als Größensatz 34-48 benennen? Begriffe können so schnell in die falsche Richtung gehen, wie ich es bei dieser Kundin gesehen habe. Vielleicht geht es ja schon jahrelang Frauen so, wenn sie bei mir das Wort Normalgrößen gelesen haben, es hat bisher nur niemand gesagt?
Wenn es um Körper und deren Beschreibung geht, werden die Worte schnell zum Eiertanz. Was darf ich sagen, was sollte ich besser nicht sagen, und wie könnte ich es anders sagen? Darf ich das Wort “dick” genauso verwenden wie dünn? Darf ich genauso schwarz sagen wie weiß?
Die Größen heißen immer noch Normalgrößen, weil ich noch keinen besseren Namen gefunden habe. Ist Standardgrößen besser?
Als ich den Näh deinen Stil Club gegründet habe, war mir von Anfang an klar, dass es nicht vordergründig um unsere Schnittmuster gehen sollte. Denn diese sind einfach vom Stil und von der Größenspanne zu begrenzt, um jeder Frau es zu ermöglichen, ihren ganz persönlichen Stil zu nähen.
In den vergangenen 1,5 Jahren, seit der Club gestartet ist, stand das Thema Proportionen hoch im Kurs. Welche Kleidungsstücke betonen oder kaschieren diese oder jene Stelle des Körpers?
Wir wollten daraufhin den Schwerpunkt noch stärker auf den Stil setzen, denn viele Frauen definieren sich sehr stark über die vermeintlichen Mängel ihres Körpers. Die Persönlichkeit, die du über deinen Stil ausdrücken kannst, ist wichtiger und aussagekräftiger als Dellen im Oberschenkel, Röllchen am Bauch oder eine kleine Oberweite. Aber haben dann doch gesehen, dass das Thema bleiben muss, bzw. Noch intensiviert werden muss, um den Frauen mehr Wohgefühl in ihrer Kleidung zu geben.
Die Vergleicheritis
Wir Menschen haben Gefühle und Ängste, wollen Männern und/oder Frauen gefallen. Wollen erfolgreich, glücklich sein und das Leben genießen.
Negative Gedanken über unseren Körper verhindern das. Dieses Genießen und glücklich sein. Unsere Gedanken um vermeintliche Mängel stehen wie eine Wand vor uns oder sogar wie eine Mauer um uns herum.
Ich glaube jetzt kommt ein ganz wichtiger Punkt: Wenn wir neben einer anderen Frau stehen, setzt oft ein Vergleichsimpuls ein. Und meist stellen wir dann fest, dass “die andere” an irgendeiner Stelle schöner ist oder intelligenter, schlagfertiger etc. Ich wünschte es wäre nicht so, aber so kann schnell ein Komplex entstehen. Und jetzt kommt der Punkt: die andere Frau hat mit großer Wahrscheinlichkeit ganz ähnliche Gedanken über uns. Das geht auch weit über die körperlichen Merkmale hinaus.
Ich hatte das schon mal bei Instagram oder hier im Podcast vielleicht… erzählt, dass ich als meine Jungs noch im Kindergartenalter waren, häufiger mal mit einer anderen Mutter den gleichen Weg zur Kita hatte. Wir sind oft ins Gespräch gekommen. Sie ist optisch quasi das Gegenteil von mir. Sie ist ca. 1,50 m groß und eher füllig. Sie schaute mich eines Tages an und sagte sowas wie: “Hach, ich beneide dich um deine Größe und deine langen Beine. Was würde ich nicht dafür geben!” Ich fragte sie: “Hmmm, würdest du deine volle Brust dafür aufgeben?” Ein entsetztes “Nein” war ihre Antwort.
Wie oft habe ich mir eine zumindest B-Körbchen Brust gewünscht? Statt A oder Doppel A! Wir haben dann gewitzelt, dass ich ihr etwas von meiner Beinlänge gebe und sie mir im Tausch 2 Körbchengrößen. Dann würden wir beide ziemlich durchschnittlich aussehen. Wir haben entschieden, dass das ja auch irgendwie langweilig wäre. Und ihre volle Brust passt perfekt zu ihr, genauso wie meine Beine zu mir passen.
Bei dieser Geschichte muss ich an einen Satz denken, den ich in meiner Kindheit und Jugend oft gehört habe: “Man kann halt nicht alles haben”. Damals mit einem genervten Augendrehen quittiert, ist ja doch viel Wahres dran. Man kann den Satz sicherlich auch begrenzend interpretieren, aber ich möchte ihn jetzt mal so sehen, dass ich eben nicht gleichzeitig ewig lange Beine haben kann und dabei eine Körpergröße von 1,73 m, genauso wenig wie wallende Locken, die ich bei anderen Mädchen immer beneidet habe und gleichzeitig die Pflegeleichtigkeit meiner Haare behalten.
Fazit
Diese Episode hat vielleicht nicht DIE Antwort auf das Thema, aber eines ist sicher!
Wir haben nur unseren eigenen Körper. Einen einzigen! Das lass dir mal auf der Zunge zergehen, bevor du dich beim nächsten Mal selbst wieder schlecht redest.
Hier habe ich noch einen Perspektivwechsel für dich, mit dem ich die Episode auch abschließen möchte:
Angenommen, deine Gedanken drehten sich nicht mehr so viel um dein Gewicht, deine Figur, dein Aussehen, wofür würdest du deine Zeit einsetzen?”
Wenn du dir innerlich nicht ständig sagen würdest, dass du dies oder jenes erst machen kannst, wenn du 10 kg abgenommen hast oder der Bauch flacher ist? Was würdest du mit deiner Energie machen?
In diesem Sinne wünsche ich dir eine schöne Zeit bis wir uns wieder hören.
Liebe Grüße
Elke
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