Episode #52: Was du von Kaufkleidung für deine Nähprojekte lernen kannst

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Mich erreicht oft die Frage, wie man herausfindet, welcher Stoff zum Schnitt passt. Ich finde das ist eine Frage, die eine komplexe Antwort mit sich bringt. Es ist so eine typische „Es kommt darauf an“ Frage.

Es kommt darauf an:

  • wie das fertige Kleidungsstück fallen soll
  • Wie schwer oder leicht
  • Dicht gewebt oder locker
  • Materialzusammensetzung
  • Wie die Oberfläche des Stoffes beschaffen sein soll
  • Auch die Muster

Es gibt also einerseits „technische“ Anforderungen an den Stoff aber eben damit verbunden die Frage danach, wie du es schaffst, dass das fertige Kleidungsstück auch zum persönlichen Stil passt, damit du es gerne trägst. Manchmal denkst du, dass du alle Anforderungen erfüllt hast, trägst das Teil dann aber doch nicht aus welchen Gründen auch immer.

Perfektion ist nicht das Ziel, das bremst nur aus, siehe Episode #47, aber wenn du dich langfristig mehr mit den Eigenschaften von verschiedenen Stoffen befasst und ganz viele Stoffe anfasst, Nähproben machst, dann werden deine Nähergebnisse besser werden, weil du einfach mehr Erfahrung gewinnst. Dadurch kannst du Stoffempfehlungen besser einschätzen.

Eine wertvolle Schule bieten dir Bekleidungsgeschäfte. Billige, teure. Und wenn sich deine Nackenhaare schon hochstellen, wenn du nur an das Wort „Shoppen“ denkst, dann verschiebe deine Perspektive. Du gehst nicht shoppen, sondern du gehst auf eine Entdeckungsreise, auf Forschertour. Und du musst noch nicht mal die Umkleidekabine besuchen, außer es ist dir peinlich, Fotos von Details zu machen. Du kannst viel lernen von den Kleidungsstücken von der Stange. Und wenn du Lust auf Unterhaltung hast, dann teste doch mal das Fachwissen der Verkäuferin/des Verkäufers.

Worauf also kannst du achten, wenn du auf Stoff-Entdeckungsreise gehst? Damit kommen wir wieder auf die eingangs erwähnten Punkte:

  • Wie soll der Stoff für das fertige Kleidungsstück fallen? Fang am besten mit deinem Kleiderschrank an, sofern du noch Kaufkleidung darin hast. Im Laden hast du die Möglichkeit viele verschiedene Kleidungsstücke in verschiedenen Qualitäten anzufassen. Wie bewegt sich der Stoff? Wie fasst er sich an? Reibe zwei Stofflagen mal gegeneinander. Dann bekommst du ein Gefühl dafür, wie flutschig oder nicht der Stoff unter der Nähmaschine wäre.
  • Stoffgewicht: Das ist natürlich schwierig einzuschätzen und ich vermute mal, dass das Verkaufspersonal diese Frage nicht beantworten kann. Aber dennoch, gerade im Vergleich verschiedener Materialien erlangt man ein Gespür für die Schwere des Stoffes. Ideal ist natürlich, wenn du ein Kleidungsstück im Schrank hast, mit dem du Stoff kaufen gehen kannst.
  • Halte das Kleidungsstück gegen das Licht. Gerade bei leichteren Oberteilen und Kleidern. Wie dicht gewebt ist der Stoff? Ist er transparent? Ist es eine Lage Stoff oder zwei Lagen, die miteinander verwebt sind (Double Gauze)?
  • Die Zusammensetzung des Stoffes ist das leichteste bei einem gekauften Kleidungsstück, denn Hersteller sind verpflichtet, die Zusammensetzung anzugeben. Auf dem Wäscheschild kannst du genau die prozentuale Zusammensetzung des Materials nachlesen. Das gibt dir schon mal eine Richtung, aber 100% Viskose kann so oder so verarbeitet sein. Das sagt noch nicht alles. Zur Forschungsreise gehört es auch, mal etwas nachzulesen. Hier kann ich das Büchlein „Stoff und Faden“ von Constanze Derham empfehlen.
  • Oberfläche und Struktur: ist der Stoff glatt oder körnig, grob, rau? Also, wie fasst er sich an? Glänzt der Stoff oder ist er matt? Darüber werde ich in den kommenden Monaten noch mehr erzählen, weil das wirklich eine Stilkomponente ist, die ähnlich wie die Farbe analysiert werden kann und viel ausmacht.
  • Muster: Auch das Muster kann beeinflussen ob ein Stoff der richtige ist für ein bestimmtes Nähprojekt. Welche Wirkung ein bestimmtes Muster in Kombination mit einem bestimmten Schnitt hat können sich viele Frauen nicht vorstellen. Natürlich findet man oft nicht das, was man nähen möchte als Beispiel im Laden. Aber bestimmt finden sich Kleider mit verschiedenen Mustergrößen und Musterformen, die man mal begutachten kann.
  • Last but Not least: erforsche die Verarbeitung von Kleidungsstücken. Hier lohnt es sich, mehrere Teile von innen zu betrachten und wenn nötig, abzufotografieren. Also z. B. Mehrere T-Shirts oder Mäntel von verschiedenen Firmen, denn es gibt immer verschiedene Möglichkeiten ein bestimmtes Kleidungsstück zu verarbeiten. Lass dich inspirieren von der Konfektion. Wenn ich ein Detail sehe, das ich so noch nicht kenne, mache ich immer ein schnelles Handyfoto davon.

Auch wenn du keine Lust auf Klamotten Shoppen hast, bleib neugierig für das was in den Geschäften hängt. Auch wenn du manchmal nur den Kopf über die billige Verarbeitung schütteln kannst, zumindest weißt du dann wieder warum du selber nähst. Es ist also auch immer eine Idee, mal in teurere Geschäfte zu gehen und da zu schauen.

Und jetzt kommt der schwierigste Punkt, wenn es um die Umsetzung geht: wo bekommst du nun genau DIESEN Stoff, der doch an der Marco Polo Bluse sooo toll aussah? Deswegen gehe ich ich auch am liebsten vor Ort Stoff kaufen, weil ich dann genau sehen und fühlen kann wie der Stoff gearbeitet ist und wie er fällt. Ich weiß, dass nicht jeder die Möglichkeit hat regelmäßig in einem gut sortierten Stoffladen bummeln zu gehen, aber wenn sich die Möglichkeit bietet, dann unbedingt nutzen.

Meiner Erfahrung nach haben viele Stoffläden, die hauptsächlich Hobbynäherinnen bedienen, oftmals ein großes Sortiment an Jerseystoffen, teils auch viele Kinderstoffe. Ich hätte ja gerne einen Lagerverkauf eines Herstellers von hochwertiger Damenbekleidung in der Nähe, aber ich habe auch noch nicht ausführlich recherchiert ob es welche in der Nähe gibt. Auch bei eBay gibt es häufig Stoffe aus Überhängen, teilweise auch hochwertige Bekleidungsstoffe aus Italien etc. Wo genau du nun die für dich passenden Stoffe findest, kann ich dir nicht verraten, aber viele größere Stoffhändler bieten die Möglichkeit Muster zu bestellen.

Einfach mal alle Stoffe anfassen, die deinen Weg kreuzen.

Liebe Grüße

Elke

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Kommentare

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  1. Liebe Elke, ich habe deine Beiträge vor ca. 3 Monaten entdeckt, als ich auf der Suche nach einer geeigneten Nähanleitung für Mundschutz war und bin sozusagen dabei hängen geblieben wie die Biene am Honig.
    Deine Beiträge sprechen mir aus dem Herzen, das ist genau das, was ich gesucht habe.
    Ich konnte mich vor 3 Jahren beruflich verändern, arbeite jetzt als Näherin in einem Ausstattergeschäft. Meine größere Leidenschaft ist aber Kleidung zu nähen. Danke, daß ich jetzt so viel von dir lernen kann.
    Liebe Grüße von Ute

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